Schadensersatz in Höhe von 20.885,71 Euro
Im sogenannten „zweiten“ Abgasskandal rund um den VW-Motor EA 288 gibt es jetzt eine bahnbrechende Entscheidung: Das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg verurteilte VW beim Motor EA 288 aufgrund einer unzulässigen Abschalteinrichtung. Es ist das erste Urteil dieser Art mit einer ausführlichen Begründung.
In dem Fall sprachen die Richter dem Käufer eines Golf VII 2.0 TDI die Rückerstattung des Kaufpreises zu. Abzüglich einer Nutzungsentschädigung erhält der Käufer gegen Rückgabe des Fahrzeuges eine Schadensersatzzahlung in Höhe von 20.885,71 Euro (Urteil vom 09.04.2021, Az. 8 U 68/20). Gekauft wurde der Golf im Jahr 2017, also nach Bekanntwerden des Abgasskandals, bei einem Autohaus für 21.750 Euro.
Zuvor war der Käufer beim Landgericht Halle gescheitert. Jetzt aber gaben ihm die Richter vom OLG Naumburg recht.
Kein Rückruf vom KBA
Bis dato bestritt VW stets die Verwendung von unzulässigen Abschalteinrichtungen beim Motortyp EA 288. Ein Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) lag nicht vor. Das KBA habe auch keine Abschalteinrichtung erkennen können.
Dies sahen die Naumburger Richter anders. Sie gehen davon aus, dass VW „unter Vorlage entsprechender eigener Messergebnisse an das KBA herangetreten ist, diesem versichert hat, dass infolge fehlender Grenzwertkausalität keine unzulässige Abschalteinrichtung vorliegt und das KBA diesen Standpunkt übernommen hat“.
Interne VW-Dokumente belegen Abschalteinrichtung
Die Richter sahen es als erwiesen, dass eine unzulässige Abschalteinrichtung in Form einer sogenannten Fahrkurvenerkennung verbaut ist. Dabei berief sich das OLG auch auf interne Dokumente von VW. So zitierte das Gericht aus einer „Applikationsanweisung Diesel Fahrkurven EA288 NSK“.
Darin heißt es, dass durch „Bedatung, Aktivierung und Nutzung der Fahrkurven“ erkannt werden sollte, ob sich ein Fahrzeug auf dem Prüfstand befindet, „um die Abgasnachbehandlungsevents … zu platzieren“. Im normalen Straßenbetrieb fährt ein Auto immer wieder Kurven – auf dem Prüfstand fährt es immer geradeaus.
Auch die Tatsache, dass der Käufer den Diesel erst 2017 erworben hatte, ändere nichts an der Täuschung durch VW. Die Richter stuften das Verhalten von VW als vorsätzliche sittenwidrige Schädigung eingestuft. Zugrunde liege hier vor allem ein Interesse an mehr Profit.
Urteil mit Signalwirkung
VW habe den Käufer getäuscht und sein Vertrauen in eine öffentliche Institution, wie sie das KBA darstellt, ausgenutzt. Und: Die Volkswagen AG habe mit dem Verbauen einer Abschaltreinrichtung nicht nur in Kauf genommen, den Käufer zu schädigen – sondern auch die Umwelt.
Das Gericht lässt keine Revision zu mit der Begründung, dass die zugrunde liegenden Rechtsfragen bereits geklärt sind.
Das Urteil dürfte auch für andere Gerichte eine Signalwirkung haben. Entsprechend haben Verbraucher, in deren Diesel ein manipulierter EA 288 verbaut ist, jetzt noch bessere Chancen auf Schadensersatz.